Sieben Wochen Zug mit Rucksack und Baby: Ist das noch Urlaub?
von Alexandra Gerth

Interrail mit Baby: Geht das? Na klar. Sind wir naiv? Ganz sicher! Wir wollen unsere Elternzeit nutzen, um sieben Wochen mit unserer zehn Monate alten Tochter mit dem Zug durch Europa zu reisen. Ida hasst Auto fahren. Mein Mann Malte liebt Züge. Fliegen ist schlecht fürs Klima. Okay, fahren wir mit dem Zug und machen nochmal Urlaub, bevor uns der Alltag einholt. Zum 50-jährigen Jubiläum von Interrail gab es den Global Pass zum halben Preis. So konnten wir uns sogar die erste Klasse leisten. Ein Hauch von Luxus für Alex. Alles, was wir mitnehmen, muss in zwei große Rucksäcke passen. Und in die Babytrage. Sind wir verrückt? Ich glaube, ja. Das Abenteuer wartet!

Die Frau eines Zugreisenden

„Urlaub trotz Kindern“: Letzten Sommer, kurz vor Idas Geburt, hörten Malte und ich jeden Abend das Hörbuch von Moritz Neumeier. Auf unsere Matratzen gekuschelt, die auf dem Esszimmerboden lagen, als provisorisches Bett, weil wir Schimmel in unserem Schlafzimmer hatten. Wir lachten viel. Wir malten uns aus, wie unser erster Urlaub mit Baby sein würde. Konnten wir es uns vorstellen? Wohl kaum.

Ich erinnere mich nicht, wann und wie genau die Idee entstanden ist, in der Elternzeit mehrere Monate mit dem Zug durch Europa zu reisen. Aber sicher ist, dass es wohl ohne unsere Flitterwochen niemals so gekommen wäre. 2020 fuhren wir mit dem One-Country-Pass von Interrail knapp vier Wochen lang durch Italien. Es war unser schönster Urlaub bisher. Sonne, Meer, Kaffee, Wein und ganz viel Dolce Vita: Wir genossen jeden Moment der Reise. Im Schnitt blieben wir etwa drei Tage an einem Ort. Unsere Stationen im Kurzüberblick: Verona - Bologna - Lecce - Ugento - Otranto - Brindisi - Reggio Calabria - Maratea - Neapel - Rom - Florenz - Mailand.

Was soll ich sagen? Ich liebe Italien. Ich liebe die freundlichen Menschen. Die bunten Häuser. Die Wäsche, die über den schmalen Gassen hängt. Ich liebe den Kaffee, den es an jeder Ecke gibt. Den Wein - besonders den roten. Ich liebe das italienische Essen und die regionalen Spezialitäten. Ich liebe das Meer. Die Weite, das unendliche Blau soweit das Auge reicht. Das Glitzern der Sonne auf den Wellen. Den weißen Schaum, der auf den hellen Sand spült. Das beruhigende Rauschen. Das alles ist Urlaub für mich. Von all dem hatten wir in unseren Flitterwochen jede Menge. Wir waren fast jeden Tag essen, mit Antipasti, Nudeln oder Hauptspeise oder beidem. Und natürlich mit Dessert und Kaffee. Und mit Wein. Vielleicht spricht die Nostalgie aus mir, aber so habe ich es in Erinnerung: Wir haben uns viel in die Augen geschaut, Händchen gehalten, uns das Essen geteilt, mehr und weniger tiefsinnige Gespräche geführt - vielleicht abhängig vom Weinpegel. Kleiner Spoiler: Essen gehen mit Ida sieht anders aus.

Unsere Routenplanung für die Elternzeit sah ursprünglich ganz anders aus. Wir wollten noch länger fahren und zunächst in den Norden starten - nach Dänemark, Schweden, Finnland. Anschließend gerne nach Großbritannien und uns allmählich in den Süden vorarbeiten. Leider hatte unser Bankkonto andere Pläne. Deshalb kürzten wir die Zeit auf sieben Wochen und beschlossen, wir fahren wieder dorthin, wo wir uns auskennen und wo man viel Leben für verhältnismäßig wenig Geld kriegt: Wir wollen den Großteil unserer Reise wieder in Italien verbringen.

So entstand folgende grobe Routenplanung:

  • Von Köln aus (im Anschluss an die Hochzeit von meinem Cousin) Start nach Antwerpen. Ich habe noch einen Hotel-Gutschein für drei Nächte von einem Queen-Konzert, das 2020 wegen Covid abgesagt wurde.
  • Von Antwerpen mit Umstieg und Frühstück in Paris nach Montelimar an die Ardeche, wo ein großer Teil von Maltes Familie auf einem Campingplatz Urlaub macht.
  • Lyon für zwei Nächte.
  • Turin für vier Nächte.
  • Peschiera del Garda am Gardasee für fünf Nächte.
  • Mit dem Nachtzug von Rom aus nach Syrakus für zwei Nächte.
  • Lido di Noto: Maltes Brüder mit Familien besuchen. Vier Tage im B&B, dann sieben Nächte gemeinsam im Ferienhaus.
  • Strandurlaub in Tropea oder Umgebung?
  • Apulien?
  • Procida?
  • Rom?
  • Florenz?
  • Südtirol?

Bis Sizilien haben wir gebucht. Danach ist alles offen. Bis dahin haben wir viel erlebt und viel ausprobiert und hoffen, wir können einschätzen, was gut funktioniert und was uns gefällt. Das ist auch eines unserer Abenteuer: Wir testen uns durch die verschiedenen Urlaubsarten und schauen, was für uns passt. Campingplatz, Hotel, Bed and Breakfast? Strand, Stadt oder Land? Was braucht Ida? Mehrere Tage am gleichen Ort im gleichen Bett? Wie klappen die Zugfahrten? Ich weiß es nicht. Es ist aufregend. So lange war ich noch nie weg von zu Hause. Und mit Kind fühlt es sich noch mehr danach an, meine Komfortzone zu verlassen. Aber deshalb auf Urlaub verzichten? Niemals!

In den Wochen vor Abfahrt wächst die Nervosität. Und ja, auch die Panik. Sieben Wochen unterwegs. Mit Rucksack und Kind. Sind wir wahnsinnig? Vielleicht. Jedenfalls kann ich Moritz Neumeier und sein Buch „Urlaub trotz Kindern“ jetzt schon sehr viel besser verstehen.

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