[Streckenupdate] 24. September: Nachtzug nach Rom
von Malte Gerth
Der vielleicht schönste und auf jeden Fall bequemste Weg von und nach Sizilien ist der Nachtzug – zu mindestens aus der Sicht eines Zugfans. Und so nehmen wir für den Rückweg auch wieder den Nachtzug nur diesmal von Syrakus nach Rom.

Draußen ist alles dunkel, nur schemenhaft zeichnet sich die Landschaft ab und hier und da glitzert ein Licht in der Ferne – die Romantik einer Nachtzugfahrt. Und genau diese Romantik erleben wir gerade. Naja, zumindestens ich tue das. Während unsere Tochter neben meiner Frau im unteren Bett liegt und beide versuchen etwas Schlaf zu bekommen, darf ich am Fußende sitzen und aus dem Fenster in die Dunkelheit starren. Was gibt es schöneres.
Die Faszination oder Liebe zu Nachtzügen kann man nur schwer in Worte fassen. Jemandem erklären lässt sie sich noch viel schwerer, erst recht wenn derjenige noch nie eine gute Fahrt damit erlebt hat.
Und doch könnte ich meine Frau auch schon in den Flieterwochen von einer Fahrt im Nachtzug überzeugen. Gut, es waren in erster Linie rationale Gründe mit denen ich punkten konnte. Ein bisschen spielte vielleicht auch mit rein, dass sie ahnen oder auch zum Teil verstehen kann, was diese Nachtzugfahrten für mich bedeuten.
So kommt es, das wir auch auf dieser Reise mit dem Nachtzug gefahren sind und es gerade auch wieder tun – von Syrakus nach Rom. Und so viel sei schon verraten, es ist definitiv nicht die letzte Nachtzugfahrt auf dieser Reise. Florenz - Wien mit dem ÖBB Nightjet ist schon gebucht. Wie wir die Zeit und Strecke bis Florenz gestalten steht im Gegenteil dazu noch nicht fest. Da gibt es noch viel zu überlegen und zu planen und wieder zu verwerfen und dann doch alles anders zu machen.
Und so sitze ich in unserem Abteil und schaue aus dem Fenster. Sehe die Lichter von Orten vorbeihuschen, durch die wir vor zwei Wochen am Tag duchgefahren sind. Alles sieht anders aus und faszinierend. Die Welt da draußen scheint eine ganz andere zu sein. Völlig losgelöst von unserer kleinen Welt im Zug. Raum und Zeit verändern sich draußen in wenigen Augenblicken während ich als stiller Beobachter einen kurzen Moment des nächtlichen Lebens erhaschen kann. Ein Auto das eine kurvige Straße in den Bergen entlang fährt und mit seinen Scheinwerfern kleine Streifen in die Landschaft malt. Was die wohl so spät nach machen? Welche Geschichte sie zu erzählen hätten? Ich werde es nie erfahren und um so mehr regt es die Phantasie an. Vielleicht jemand der nach langer Zeit wieder zu den Geliebten zurück kommen kann? Ein heimlicher Ausflug zweier Liebenden?
Und dann ein kleines Haus in dem nur ein Fenster beleuchtet ist. Ganz friedlich liegt es da in dem kleinen Ort an dem unser Zug vorbei zieht. Ob auch da ein kleines Kind gerade aufgewacht ist und die Eltern zu ihm eilen um es in den Arm zu nehmen und beim Einschlafen begleiten? Und noch bevor die Gedanken weiter Gestalt annehmen können ist die Szenerie schon davon gezogen und verschwindet in der Dunkelheit hinter der Kurve. Und unserer Zug gleitet weiter durch die stille Welt bei Nacht.
Jäh durchbrechen die Bahnhöfe diese getrennten Welten und lassen uns im Zug für die Dauer des Aufenthaltes an der Welt da draußen teilhaben. Plötzlich sind es nicht nur Lichter die wir sehen können, sondern beleuchtete Bahnsteige auf denen Menschen warten oder hektisch zum Zug laufen. Und man kann Stimmen hören. Sie sprechen Italienisch oder auch vereinzelt mal Englisch und andere Sprachen oder sogar deutsch. Doch alles bleibt wage, nur einzelne Worte dringen zu uns ins Abteil. Und doch ist die Welt da draußen für diesen Moment auch unsere Welt. Sie wird real.
Dann leuchtet der Schaffner mit seiner Lampe und der Lökführer setzt unseren Zug wieder in Bewegung. Und langsam trennen sich die Welten wieder, während wir aus dem Bahnhof rollen. Die Zwergsignale leuchten wie kleine Glühwürmchen zwischen den Gleisen und verabschieden uns aus der Stadt in die Dunkelheit. Wir rollen weiter und beobachten wieder nur, was sich uns in der stummen Nachtwelt draußen für einen kurzen Augenblick zeigt.
Ich weiß es sehr zu schätzen, das meine Frau mir diese Liebe zum Nachtzug zugesteht und es nicht nur duldet, sondern mir aktiv ermöglicht solche Erlebnisse haben zu dürfen. Einer der vielen Gründe, warum ich sie so liebe und wir zwei Jahre nach den Flitterwochen wieder zusammen unterwegs sind – als Frau eines Zugreisenden, der Zugreisende und die gemeinsame Tochter.